Kinder, hört mal zu…

am

Papa spricht!

tja das wars dann auch schon mit der Aufmerksamkeit: Die Augen des einen versinken wieder in den kleinen Bildschirmen auf denen sich die quietschbunten japanischen Monster tummeln, während die andere gar nicht erst von ihrem Buch über Dinosaurier aufgesehen hat.

So interessant ist der alte Kerl einfach nicht mehr und wehmütig denke ich an die Zeit zurück, als mich die Beiden noch in jeder Sache um meine Meinung gebeten haben und der Papa überhaupt ständig involviert war. Im Kindergarten und der Schule wurde gebastelt und gezeichnet was das Zeug hielt und mit einem krakeligen: „Für Papi“ versehen. Bilderbücher wurden dem nach Entspannung gierenden Vater in den Schritt gehauen mit der Aufforderung: „Vorlesen“, selbst wenn gar nichts drin stand. Aber der Papa ließ sich immer was einfallen zu den Bildern, sobald der Schmerz verflogen war. Und überhaupt waren die Kinder ohne mich nicht denkbar. Ich wusste wer ihre Freunde waren und kannte die Eltern zumindest vom Sehen. Auf dem Spielplatz war ich immer mit dabei, egal wie fad ich es manchmal fand, mitten unter den hyperfürsorglichen Helikoptermüttern und den total abwesenden Handymamas herumzurennen.

Heute ist das alles anders. Der Sohn kommt heim von der Schule und erledigt alleine seine Hausaufgaben (zumindest behauptet er das, da es aber keine schriftlich festgehaltenen Aufgabeneinträge gibt, ist das oft schwer zu überprüfen). Dann macht er sich selbst sein Essen und verabschiedet sich entweder physisch total, indem er seine Zimmertür hinter sich schließt, oder zumindest geistig, wenn er auf der Couch in den Untiefen des Smartphones versinkt. Ob ich da jetzt wild gestikulierend auf das Chaos im Zimmer hinweise oder ihn bitte, mir doch ein wenig von seinem Schultag zu erzählen erregt ebenso wenig Aufmerksamkeit, wie die Frage, ob er denn mitkommen wolle zum Einkaufen. Was soll er auch mit seinem alten Vater im Supermarkt? Na gut, die Tochter ist ja erst 9, da ist Papa noch wichtiger. Also stürze ich mich auf sie und setze mich zu ihr an den Tisch. Sie zeichnet gerade ein Dinosaurierbild und gestaltet liebevoll jede einzelne Feder des Dromaeosauriers (Ich weiß was das ist *g*). „Wie heißt der denn“,  frage ich leise um sie nicht zu stören. Keine Reaktion. „Ist das ein Velo?“, flüstere ich hoffnungsvoll und erwarte als Antwort ein: „Nein, Velos waren größer als der hier, das ist ein Troodon“, aber ich erhalte lediglich ein knappes: „Nee“.

Na gut, denke ich mir und betrachte die Bilder die sie bisher gezeichnet hat. Seit einigen Monaten ist die Dinosaurierphase sehr intensiv und der aktuelle Berufswunsch ist eindeutig: Paläontologin. Wie lange das anhalten wird weiß ich nicht, aber ob sie jetzt ihr Zimmer mit Dinos, Delfinen oder Ponys füllt, spielt für mich ja keine Rolle. Hauptsache sie hat etwas, das sie begeistert. Leider neigt sie nur dazu, immer neue Interessen drauf zu packen ohne alte aufzugeben, wodurch sowohl ihr Kopf, als auch ihr Zimmer zunehmend überfüllt werden und ich im Falle eines Redeschwalls oft den Faden verliere, während ich versuche ohne allzu große Blessuren den Weg durch ihr Kinderzimmer zu überstehen.

Nachdem sie mich auch nach 5 Minuten immer noch gekonnt ignoriert, gebe ich auf und beginne den Blätterstapel neben ihr zu sortieren. Ich bin noch nicht weit gekommen, da ertönt ein schrilles: „Lass das!“ und erschrocken zucke ich zusammen. Sofort geht mein Blick zum Großen, weil ich irgendwie sofort erwarte, dass er irgendwas getan hat, das ihr missfallen hat, aber mein Sohn sitzt ungerührt auf der Couch, die Füße weit von sich gestreckt und starrt in diese ferne weite Welt, die offenbar aufregender ist, als die ihn umgebende. Statt dessen blitzen mich die zwei rehbraunen Augen meiner Tochter zwischen zusammengekniffenen Augenlidern heraus an und ich stelle fest, dass dieser vorwurfsvolle und bis ins Mark hinein beängstigende Blick den Frauen wohl doch schon in die Wiege gelegt ist. „Was ist denn?“, frage ich süßlich um sie zu beschwichtigen, aber erreiche damit nur ein besonders lautes „Hmpf!“, während sie mir schwungvoll die Blätter aus der Hand reißt.

„Ich wollte sie ja nur aufräumen“, sage ich kleinlaut und frage mich, was ihr nicht passt.

„Das geht dich alles gar nichts an“, giftet sie mir entgegen und stopft die Blätter unter den Tisch.

Natürlich ist meine Neugier jetzt geweckt und außerdem: Ich bin hier aber der Vater und alles geht mich etwas an. Aber ich sage lieber: „Ist da eine Überraschung für mich dabei?“. Ein kleines Vortasten, mehr nicht.

„Nein“. Sie wirft mir nur einen kleinen Brocken hin und wendet sich wieder den Urzeitmonstern zu.

„Hast du etwa Geheimnisse vor mir“, frage ich ganz und gar nicht ernst.
Aber es kommt wohl ernst an, denn ich höre: „Jede Menge und du brauchst dich dafür gar nicht zu interessieren, das ist mein Leben“.

Das sitzt.

Mein Leben, sagt sie. Früher war ihr Leben Teil meines Lebens.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Sie geht erste Schritte weg von mir in ihr eigenes Leben. Plötzlich telefoniert sie auch hier und da mit ihren Freundinnen oder schickt ihnen Nachrichten über Whats App. Sie schreibt Briefchen mit ihren Klassenkameradinnen und flüstert ihnen heimlich etwas zu, wenn ich daneben stehe.

Noch bin ich ein fixer Bestandteil ihres Lebens, weil sie noch jung ist und diese Momente des Ausbruchs sind kurz und auf bestimmte Bereiche reduziert, aber sie werden größer. Noch braucht sie den Luftkuss beim Abschied am Schultor, aber nur noch versteckt, so dass es niemand mehr sieht, aber bis zur Klasse darf ich sie nicht mehr begleiten und lange stehen bleiben darf ich auch nicht mehr. Irgendwann geht sie dann ganz alleine aus dem Haus in der Früh, so wie mein Sohn. Und auch wenn ich zumindest Abends immer noch ein Buch vorlesen muss, weiß ich doch schon jetzt, dass sie irgendwann darauf verzichten wird mich mitzunehmen auf die Reise in die Welten der Wunder. Noch begleiten wir Momo, Alice und all die anderen gemeinsam, aber bald höre ich nur noch ein gemurmeltes „Gt ncht“ und das wars dann. Keinen Kuss auf die Stirn, keine letzte Umarmung, kein Winken wenn ich das Zimmer verlasse. Dem Stoffhund muss ich eh kein Bussi mehr geben und dieses Weniger wird dann zu einem Mehr werden. Einem Mehr Zeit mit mir selbst und ich fürchte ich laufe Gefahr diese Zeit zu sehr mit der Sehnsucht nach dem Vergangenen zu füllen. Das heißt, ich muss mir wohl etwas überlegen, sonst sitze ich irgendwann auf der Couch, umgeben von fünf Hunden und sieben Katzen.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Juristin sagt:

    Oh weh, was für ein schöner Artikel…. bin jetzt ja schon ganz wehmütig, wenn die kleine und die große Liebe davonziehen werden…

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    1. owl sagt:

      Alles hat seine Zeit im Leben und alles muss auch gehen können, aber die Erinnerung wird immer bleiben und mit ihr kann man all die schönen, friedlichen und turbulenten Zeiten immer wieder erleben 😉

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