Kind in meinen Armen

was geht dein Blick nur so fern.

Ich halt dich doch und halt dich fest,

betrachte dich ja so gern.

Augen, klein, voller Bläue,

künden mir von Neugier ja

und von schelmischer Schläue.

Ich seh deine Zukunft leuchten,

voller Glück und …

„PAPA!“.

Die Augen, müder werdend vom monotonen Gesang, springen augenblicklich auf. Das seelige Lächeln schwindet und der Kleine füllt seine Lungen mit Luft, die er dann lautstark wieder in die Welt hinausstößt, begleitet von einem schluchzenden Ruf.

Sein großer Bruder stürmt ins Zimmer.

„Papa, wo bist du?“. Er starrt mich mit großen Augen an. Seine nackten Füße sind vom feuchten Sand bedeckt (Die Idee mit der kleinen Sandkiste am Balkon kam von mir. Eigentlich eine gute Idee, dachte ich, so ist er beschäftigt wenn wir zu Hause sind und ist trotzdem an der frischen Luft. – Inzwischen sehe ich das kritischer, vor allem seit ich nicht mehr weiß, ob der Sand jetzt vom Regen feucht ist oder vom Pipi).

„Ich bin hier und versuche deinen kleinen Bruder zum Schlafen zu bringen“, antworte ich ohne den Versuch meinen Ärger zu verbergen.

„Ich muss aufs Klo“, schallt es zurück.

Danke für die Info, denke ich mir.

„Dann geh!“. Meine Stimme ist deutlich schärfer, als sie es sein sollte.

„Ja, ich geh ja!“, wirft er, empört über meine Verständnislosigkeit, zurück.

Fünf Minuten später knie ich vor der Toilettentür und wische den kleinen Teich auf. Erleichtert, dass es nur Wasser ist, verärgert, dass der Seifenspender leer ist (ich hatte ihn erst aufgefüllt) und verängstigt ob der Wasserbeständigkeit des Nussholzparketts.

Schon saust er wieder um die Ecke. Die kleine gelbe Gießkanne in der Hand. Inzwischen ist er vollständig nackt. Das Shirt liegt immer noch triefend nass im Waschbecken.

Padauz!. Da liegt er, ausgerutscht auf dem dünnen Feuchtigkeitsfilm, den er selbst verursacht hat.

Er schreit auf, wirft wütend und vor Schmerz die Gießkanne nach mir und schreit nach der Mama. Die sitzt mit dem Kleinen auf dem Arm auf der Couch und versucht den jüngsten Spross zu beruhigen, damit er trinken kann.

„Ich komme gleich zu dir mein Schatz“, flötet sie zum Größeren, „ich muss nur das Buzzerl stillen“.

Der Dreieinhalbjährige hat dafür kein Verständnis und springt auf, stürzt auf sie zu und wirft sich auf ihren Schoß.

Der Kleine schreckt auf, schreit, denkt gar nicht mehr an seinen Hunger und ich sehne mich nach der Ruhe der Heavy MEtal Konzerte meiner Jugend.

Ich stehe auf, nachdem ich den letzten Rest des Wassers aufgewischt habe, versuche erfolglos den Schmerz in meinem unterten Rücken zu ignorieren und stöhne leicht auf.

„Komm jetzt“, zische ich zum nackten Kind hin, ohne ihn wirklich anzusehen, „wir ziehen dich jetzt an“.

„Ich will nicht“, schluchzt er in Mamas Rock. Und: „Blöder Papa“.

„Ich kann nichts dafür, dass du alles nass gemacht hast“, entgegne ich entnervt.

„Ich wollte nur gatschen am Balkon“, erklärt er weinerlich.

Natürlich. Das erklärts. Und ist selbstverständlich die absolute Legitimation.

„Der Sand ist noch nass genug von gestern“, sage ich ärgerlich und betrachte die Fußabdrücke auf dem Wohnzimmerboden.

„Ich brauche aber ganz viel Gatsch“ entgegnet er.

Ich schweige, sage nicht was ich mir denke. Er würde es nicht verstehen. Seine Mutter schon. Und sie würde es nicht dulden. Zu Recht. Ich auch nicht. Aber ich möchte es gerne sagen. Rausschreien. Loswerden.

Ich sehe auf die Uhr. Kurz vor 17 Uhr. Ja! rufe ich innerlich aus. Der Abend naht. Bald ist Ruhe. Schlafenszeit. Feierabend.

Dann fällt mir die Arbeit ein. Oh je. Der Jahresbericht steht immer noch aus. Ich bin schon fast an der Abgabedeadline angekommen und habe immer noch nicht viel mehr als die Diagramme und Zahlen fertig. Den Text muss ich auch noch tippen.

Die Nacht wird lang werden.

Oder kurz. Je nachdem.

Ich werde ohnehin nichts zustande bringen. Müde schreibe ich nur Unsinn. Deswegen ist mein Blog auch so still geworden. Ich bin nämlich durchgehend müde.

Mein Blick fällt auf meine Freundin. Sie lächelt beide Kinder abwechselnd an. Auch sie ist müde. Man sieht es ihr auch an. Aber dennoch lächelt sie so echt und einnehmend. Wie macht sie das?

Ich betrachte die beiden Kinder. Der Kleine saugt jetzt endlich, der größere beobachtet seinen kleinen Bruder lächelnd und auf einmal ist alles wieder gut. Müde? Na und! Ich betrachte die drei noch kurz, dann drehe ich mich um. Ich räume einfach mal die Küche auf, denke ich, dann ist wieder etwas erledigt.

„Papa!“, schallt es nun von oben. Dann folgt das gewohnte Stampfen nackter Teeniefüße auf der Holztreppe.

„Was ist denn?“, frage ich während ich die Spülmaschine öffne. Der heiße Dampf steigt mir ins Gesicht und ich genieße das leicht stechende Prickeln auf der Haut.

„Haben wir noch Milch?“. Sie sieht mich an, als ob ich etwas verbockt hätte.

Ich deute auf den Schrank neben ihr. Nur eine Handbreit von ihr entfernt. Wortwörtlich.

„Schau halt nach“, zische ich. Ich fühle den Ärger bereits wieder anwachsen.

„Warum kannst du es mir nicht einfach sagen?“. Sie schiebt die Nase ein wenig anch oben. Wie immer, wenn sie sauer auf mich ist.

Ich sehe sie unsicher an, wie immer wenn ich nicht weiß, warum sie sauer ist.

„Weil ich es nicht weiß“, entgegne ich kopfschüttelnd.

„Oh Mann“, seufzt sie, „Wozu bist du eigentlich hier?“.

Ich schüttle den Kopf. Mir ist klar, dass sie mich nur provozieren will, also sage ich nichts.

Sie öffnet den Schrank, reißt die Schublade heraus und blickt hinein.

Zwei volle Packungen MIlch stehen da noch.

„Wieso hast du mir das nicht gesagt?“, fragt sie empört.

„Äh?“, ich suche nach den richtigen Worten. „Weil ich nicht wusste, dass ich es hätte tun sollen“.

Sie nimmt demonstrativ eine Packung mIlch und stellt sie auf die Arbeitsfläche. „Jetzt habe ich das Müsli trocken gegessen“, sagt sie vorwurfsvoll.

„Wofür brauchst du dann noch die Milch?“. Ich stelle mich einfach dumm.

„Was geht dich das an?“, fragt sie abweisend.

„Ich bin dein Vater, also geht es mich was an, außerdem bezahle ich die Milch“. Ich lehne mich an der Kühlschranktür an.

„Was ich tue geht dich gar nix an, sagt sie und verschwindet mit der Milch in ihrem Zimmer.

„Im Zimmer wird nicht gegessen!“, rufe ich ihr nach. Ergebnislos. Zumindest von ihrer Seite.

Auf der Couch blicken mich zwei dunkle Augen vorwurfsvoll an.

„Sag nix“, brumme ich.

Sie sagt doch etwas.

Ich sehe deine Zukunft leuchten,

voller Glück und Lachen

und wenn du dann erwachsen bist

kann ich endlich schlafen.

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